Von Buenos Aires über „Indien“ nach Cordoba

Das typische Postkartenmotiv: im Stadtteil La Boca. Auch wenn es dort total touristisch ist und alles vor Strassenhaendlern wimmelt, werden die bunten Haeuser normal bewohnt.

Das typische Postkartenmotiv: Im Stadtteil La Boca. Auch wenn es dort total touristisch ist und alles vor Strassenhaendlern wimmelt, werden die bunten Haeuser normal bewohnt.

„Buenos Aires ist ganz Argentinien“, sagen manche Porteños, die Bewohner der Stadt. Und damit haben sie nicht ganz Unrecht! Immerhin lebt ein Drittel der Bevoelkerung Argentiniens hier (BA und Umgebung 13 Mio…). Trotzdem muss man sagen, dass viele Ecken der Stadt unglaublich europaeisch aussehen. Das kommt auch daher, dass zu reiche Argentinier und Einwanderer im letzten Jahrhundert beschlossen haben, sich dem Zeitgeist anzupassen und ganze Gebaeude aus Frankreich und Italien importieren liessen. Jawohl, von den Deckenbalken bis zum Lampenschirm wurde alles per Schiff hier her geschafft – was fuer ein Aufwand!

Verhungern in BA ist unmoeglich!

Angekommen mussten wir uns erstmal wieder an die Hektik, den Laerm und das bunte Stadttreiben gewoehnen. Und nicht zu vergessen die erhoehte Aufmerksamkeit, die hier angesichts der vielen Taschendiebe und rasenden Taxis notwendig ist. Das macht muede, aber wer schlafen will, sollte besser nicht nach Buenos Aires kommen, denn das Nachtleben hier ist einmalig. Wir haben das gleich ausgetestet und sind zum „Welt-Tango-Festival“ gegangen – wow! Am meisten haben mich die Tangoorchester beeindruckt, sowas von emotional und mitreisend. Die Leute waren ueber meine Herkunft ganz begeistert, aus Deutschland kommt anscheinend das Akkordeon, das der grosse Bruder des Harmoniums ist, dem wichtigsten Tangoinstrument. Und in Deutschland spielen ja alle Akkordeon (und sind immer puenktlich, verbringen den ganzen Tag ernst arbeitend und sind natuerlich blond und blauaeugig…). Aha, wieder was dazu gelernt 🙂

Naja. So aehnlich sieht das aus - allerdings haben wir falsche Kleider dafuer an, vor allem falsche Schuhe!

Die naechsten Abende waren wir in sogenannten Milongas. Dort geht man gegen 21h hin, isst zu abend, kann ein- zwei Tangoanfaengerkurse mitmachen und sich anschliessend selber auf der Tanzflaeche versuchen, bis spaeter die richtig guten Taenzer kommen. Meistens spielt auch eine Liveband und man trifft auf die verschiedensten Menschen! Wir hatten echt eine Menge Spass und haben tapfer versucht, elegant dahinzugleiten… Das Geheimnis des Tangos? „Es muss eng getanzt werden, damit die Frau fuehlen kann, wohin der Mann sie fuehrt.“ Super, dachte ich, das hilft mir nur leider auch nicht weiter. Aber es ist wirklich so. Wenn man sich darauf einlaesst (was am Anfang ganz schoen schwierig ist – immerhin sind das voellig fremde Menschen), staunt man, wieviel sich wie ganz von alleine ergibt! Vorausgesetzt, der Herr kann fuehren…  Fast noch mehr Spass als das selber tanzen macht allerdings das Zuschauen. Man bekommt immer den Eindruck, es handle sich um eine Choreographie – dabei kennt sich das eng tanzende Paar oft gar nicht.

Der San Telmo Markt Sonntagmorgen - ein Jammer, dass ich alles, was ich kaufe noch Monate lang mit mir rumtragen muss! Da ueberlegt man sich fuenfmal, was schoenes zu kaufen...

Man kann kaum feste Schritte erkennen, alles verlauft in den Bahnen, die der Mann einschlaegt. Hoert sich ganz schoen machomaessig an, aber anscheinend geht es den ganzen Tanz nur darum, dass sich die Frau schoen und umgarnt fuehlt… 🙂 Meine Favoriten waren oft die aelteren Paare. Die waren so richtig schick zurechtgemacht und wirkten so jung und lebendig, wenn die Musik erklang. Die juengeren Paare hatten das Feuer, die alteren die Eleganz… Hach aber das kann man schlecht beschreiben, Tango ist etwas, das man selbst sehen (und vor allem fuehlen!) muss.

Neben den Milongas und Discos gibt es natuerlich auch noch unzaelige neue und alte, urige und moderne, suesse und coole Bars, wo sich Abende (und Naechte) wunderbar verbringen lassen.Tagsueber sind wir oft stundenlang einfach nur durch die Strassen flaniert und immer wieder in einem der charmanten Cafes haengengeblieben, oder haben ein Museum besucht oder mit Argentiniern Mate getrunken, oder oder… Die Stadt ist in Viertel eingeteilt und das U-Bahnsystem ist uebersichtlich, der Transport billig. Es gibt so viel zu sehen, so viel zu erleben, dass die Tage nur so verfliegen.

Eine Strassenecke in San Telmo

Die vielen Kunst- und Schmuckmaerkte auf den Plaetzen der Stadt, den Hafen mit all den kleinen Schiffsmuseen, die beeindruckenden Gebaeude in den verschiedensten Stilen, die ganzen Buecherladen und Antequitaetengeschaefte (die verkaufen alles, was nicht niet und nagelfest ist – hier kann man Stunden verbringen, und das Beste ist, dass man nichts kaufen will, sondern nur anschauen und anfassen ;-)), die vielen winzigen Kiosks und Obstlaeden, dazwischen die schicken Boutiquen und an jeder Ecke kann man Empanadas, gefuellte Teigtaschen kaufen… Und es gibt so wahnsinnig viele andere Backpacker hier (vor allem Franzosen), dass man manchmal ganz bewusst den Kontakt zu den Menschen hier, zu der Kultur, wegen der man eigentlich kam, suchen muss. Katja, eine Freundin von der Yogafarm hat das „das Paralleluniversum der Reisende“ genannt. Deshalb war ein weiteres Highlight hier die Geburtstagsparty einer Argentinerin, die uns zwar nicht kannte, aber spontan eingeladen hat. Trotzdem ist es natuerlich auch klasse, andere Reisende zu treffen, Tips und Erlebnisse auszutauschen, gemeinsam Sachen zu unternehmen…

Die 9 de Julio - eine Autobahn mitten in der Stadt

Wir hatten tolle, erlebnisreiche Tage; haben gefeiert und getanzt, gelacht und Cafe getrunken, um „Baby-Alpaka-Wolle-Pullover“ gefeilscht und uns in voellig ueberfuellte Stadtbusse gequetscht (um dann an der richtigen Haltestelle nicht mehr rauszukommen…) – unvergesslich! Die Australier sind nach einigen Tagen weiter, und auch Alayna ist nach Cordoba aufgebrochen. Und obwohl ich auch danach viel zusammen war mit den Backpackern vom Hostel, oder anderen Leuten, die wir kennengelernt haben, hab ich mich gegen Ende manchmal… in Raum und Zeit verloren gefuehlt. Das kann ganz toll sein – einfach nur in einem schoenen Park sitzen, die Fruehlingssonne geniessen und die Atmosphaere einatmen. Aber irgendwann hat man die „must-sees“ gesehen, die Touristen-Liste abgehakt und dann braeuchte man etwas zu tun, einen Plan oder ein Ziel – oder zumindestens ich hatte den Eindruck. Zudem fliesst einem das Geld wirklich aus der Tasche hier.

Dieses komische Maedchen ist eines der Kennzeichen Buenos Aires' - keine Ahnung warum. Also, hop, noch ein Touristenphoto 🙂

Mein naechstes Ziel sollte Cordoba sein, die „Kulturhauptstadt Suedamerikas“. Aber davor wollte ich noch mal zurueck auf die Yogafarm, wo ein grosses Festival stattfinden wurde. Und wie oft hat man schon die Moeglichkeit, in Argentinien auf ein Hare Krsna Festival zu gehen? Eben. Also hab ich meinen Rucksack geschnappt und der Stadt goodbye gewunken!

Eine Madre - alle waren so aufgeregt!

Der Guru beim Vorsingen waehrend der Zeremonie im Tempel. Hauptsache laut, Melodie wird voellig ueberbewertet...

Das Festival wurde organisiert, weil es den Gebutstag von Bhakti, der weiblichen Inkarnation Krsnas, zu feiern galt. Zudem war es auch der 10. Geburtstag des Yogaparks. Es war schoen, wiederzukommen, ein bisschen wie heimkommen. Einige der Volonteers, mit denen ich vor 2 Wochen hier war, waren immer noch da, und viele alte kamen zurueck, um das Festival mitzuerleben. Das war ein Hallo! Und es war gut, dass soviele Haende mithalfen. Kochen fuer 200 Leute ist schon ein Kraftakt (plus duzende Teller, die gespuelt werden wollten) aber es hat Spass gemacht. Den ganzen Tag ueber gab es Vorfuehrungen, viele Saenger (gute und naja… welche, die glauben, dass sie gut sind) und die Kroenung war ein Theaterstueck, das Katja mit den Australiern einstudiert hat. Es war ein voller Erfolg, die Leute haben sich koestlich amuesiert – ueber die spanische Aussprache der Darsteller! Und -ganz wichtig- der Guru war da, extra aus Chile angereist. Es war interessant zu sehen, wie er behandelt wurde. Manche haben sich hingekniet und tief verbeugt, andere haben mit ihm ueber sehr weltliche Scherze gelacht.

Alle waren angezogen wie in einem Bollywoodfilm

ALs ich in der Kueche aufgeraeumt hab, kam er rein und begruesste mich sehr freundlich. Ich war total ueberfordert und wusste nicht, was ich machen oder sagen soll! Er wollte wissen, woher ich komme und meinte dann lachend: „Alemania, me gusta… Ik bin ein Berliiner!“ 🙂

Wir hatten auch ein langes Gespraech mit einem der Moenche, das war wirklich interessant. Zu erfahren, warum er sich so angezogen fuehlt von dieser Lebensphilosophie, welches die Grundsaetze sind und wie sie heute in Argentinien gelebt werden (koennen). Abends war dann die Zeremonie – 100 Leute in dem kleinen Tempel, singend und tanzend, begleitet von Trommelwirbeln und Raeucherstaebchenduft. Und es gab eine echt riessige Dulce de Leche Geburtstagstorte. Wir hatten schon Angst, die wuerde geopfert werden und vor Krsnas Statue stehen bleiben, aber zum Glueck bekamen alle ein Stueck davon. Schon lustig, da fliegt man um die halbe Welt, um Suedamerika kennenzulernen und findet sich wieder zwischen Sari-tragenden Frauen und Mantra-singenden Moenchen – wie am Set eines Bollywoodfilmes in Indien.

Die Theatergruppe - Vaquita, der Hund sollte die Kuh spielen, und bewegte sich vor Lampenfieber keinen Schritt 🙂

Am naechsten Morgen war allgemeines Aufbrechen, Abreisen und Abschiednehmen. Ich habe den Tag in der nahegelegenen Stadt Lujan verbracht, um den Nachtbus nach Cordoba zu nehmen.

Die schoenste Kirche in Cordoba!

Auf der Landkarte ist es nur ein Fingerbreit von Lujan entfernt – in Wirklichkeit sind es fast 10  Stunden! Dort hab ich zu meiner grossen Freude Alayna wiedergetroffen und wir haben die Stadt erkundet, auch wenn mein Sightseeingspeicher nach Buenos Aires noch ziemlich voll war. Cordoba ist fuer mich die Stadt der Kirchen, es gibt hier wirklich viele wunderschoene Kirchen und Katedralen aus verschiedenen Epochen. Der Stilmix ist sehr interessant – ganz alte neben ganz neuer Architektur. Und wenn man sich auf einen der vielen Plaetze setzt, kann man sicher sein, dass sich jemand dazusetzen wird um ein Gespraech zu beginnen. Die Menschen hier haben einfach die Zeit dafuer, oder besser gesagt, sie nehmen sie sich. Selbst wenn sie eigentlich einen Termin haben -Puenktlichkeit ist ein sehr dehnbarer Begriff hier. Komm ich heut nicht, komm ich uebermorgen…

Ein Strassenmusikgig

Schlafen konnte ich bei einer Freundin, die hier studiert und wirklich very little Englisch spricht – das ist zwar manchmal schwierig mit der Kommunikation aber definitiv hilfreich fuers Spanischlernen! Man ist so faul, wenn man die ganze Zeit Englisch sprechen kann. Tja, und morgen geht es schon wieder weiter. Ich habe einen WWOOF-Platz in der Naehe von Cordoba gefunden. Das heisst, ich werde gegen Kost und Logie auf einer organischen Farm mitarbeiten, fuer einen Monat. Was ich gelesen und gehoert habe, klingt gut und ich freue mich wirklich, laengere Zeit an einem Ort zu sein. Reisen ist etwas sehr tolles und ich bin unglaublich froh, das alles erleben zu koennen, aber es ist anstrengend. Jeden Tag muss (darf, kann) man viele Entscheidungen faellen (das faengt schon bei Kleinigkeiten an… ein gutes Training fuer so entscheidungsunfaehige Menschen wie mich :-)). Und man bekommt soviel Input, man sieht, erlebt so viel, lernt neue Menschen und deren Einstellungen kennen… da tut es gut, Zeit zu haben, das alles zu verdauen. Heute bin ich auf den Tag genau zwei Monate hier und ich muss sagen: I like it! Oder wie man hier sagt:

Me gusta! 🙂

Cordoba - einfach schoen!

Über alinaway

Ich bin ein Jahr in Süd-Amerika unterwegs - was ich dort erlebe? Will ich hier mit euch teilen!
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